BMF v. 28.03.2022 - IV A 3 - S 0338/19/10006 :001 (2024)

BMF - IV A 3 - S 0338/19/10006 :001 BStBl 2022 I S. 203

Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick aufanhängige Musterverfahren (§ 165 Absatz 1 Satz 2 AO); Aussetzung derSteuerfestsetzung nach§ 165Absatz 1 Satz 4 AO Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einerzumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheits- und Pflegekostenals außergewöhnliche Belastungen

(BStBl I S. 2), zuletzt geändert durch das (BStBl I S. 131)

Bezug: BStBl 2018 I S. 2

Bezug: BStBl 2022 I S. 131

Bezug: BStBl 2016 II S. 151

Bezug: BStBl 2017 II S. 259

Bezug: BStBl 2017 II S. 949

Bezug: BStBl 2017 II S. 684

Nach der Rechtsprechung desBundesfinanzhofs (u. a. BFH-Entscheidungen vom , VI R 32/13, BStBl 2016 II S. 151; vom , III R 62/13, BStBl 2017 II S. 259; vom , VIII R 52/13, BStBl 2017 II S. 949 und vom , VI R 75/14, BStBl 2017 II S. 684) ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen nichtgeboten, bei Krankheitskosten generell auf den Ansatz einer zumutbarenBelastung zu verzichten. Auch Aufwendungen für Krankheit und Pflege sind nachder gesetzlichen Regelung grundsätzlich nur als außergewöhnliche Belastungenabziehbar, soweit sie den Betrag der zumutbaren Belastung nach § 33 Absatz 3Einkommensteuergesetz (EStG) überschreiten. Der Wortlaut der Regelung seieindeutig und differenziere bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung nichtzwischen Aufwendungen für Krankheit und Pflege und anderen als außergewöhnlicheBelastungen abziehbaren Aufwendungen. Die gegen die vorgenannten Entscheidungenerhobenen Verfassungsbeschwerden wurden vom Bundesverfassungsgericht nicht zurEntscheidung angenommen (Nichtannahmebeschlüsse vom , 2 BvR180/16, vom , 2 BvR 1936/17, vom , 2 BvR 1205/17,und vom , 2 BvR 221/17).

Die zuletzt u. a. zur Frage derVerfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung nach § 33 Absatz 3EStG bei der Berücksichtigung von Krankheits- und Pflegekosten alsaußergewöhnliche Belastungen geführten Revisionsverfahren sind mittlerweileebenfalls beendet. Der Bundesfinanzhof hat mit Beschlüssen vom , VI R 18/19, BFH/NV 2022 S. 13, und vom , VI R 48/18,BFH/NV 2022 S. 120, seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Damit ist derGrund für eine vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer insoweitentfallen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnisder Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daherFolgendes:

In der Anlage zum BStBl 2018 I S. 2, die zuletzt durch BStBl 2022 I S. 131, neugefasst worden ist, wird die bisherigeNummer

„2. Abzug einer zumutbarenBelastung (§ 33 Absatz 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen fürKrankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung“

mit sofortiger Wirkung gestrichen.Ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren kommt insoweit nichtmehr in Betracht.

Die Anlage zum a. a. O., wird mit sofortiger Wirkung wie folgtgefasst:

„Abschnitt A (VorläufigeSteuerfestsetzung)

I.

Steuerfestsetzungen sind hinsichtlich folgender Punkte gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig vorzunehmen, soweit dies verfahrensrechtlich möglich ist:

  1. Höhe der kindbezogenenFreibeträge nach § 32 Absatz 6 Satz 1 und 2 EStG

  2. Besteuerung von Leibrentenund anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG

  3. Verlustverrechnungsbeschränkung fürAktienveräußerungsverluste nach § 20 Absatz 6 Satz 4 EStG (§ 20 Absatz 6 Satz 5EStG a.F.)

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 1 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 mit einer Prüfung der Steuerfreistellung nach § 31 EStG sowie den mit derartigen Einkommensteuerfestsetzungen verbundenen Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer beizufügen. Wird im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer für den Veranlagungszeitraum 2014 Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Absatz 2 FGO) beantragt, ist dem zu entsprechen, soweit unter Berücksichtigung eines um 72 Euro erhöhten Kinderfreibetrags je Kind die Steuer herabzusetzen wäre und im Übrigen die Voraussetzungen des § 361 AO oder des § 69 FGO erfüllt sind. Ein Einkommensteuerbescheid ist hinsichtlich des Kinderfreibetrags kein Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer (, BStBl 2011 II S. 543, und vom , I R 29/11, BFH/NV 2012 S. 921); § 361 Absatz 3 Satz 1 AO und § 69 Absatz 2 Satz 4 FGO sind daher insoweit nicht anwendbar.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2005 beizufügen, in denen eine Leibrente oder eine andere Leistung aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG erfasst wird. Eine mögliche Zuvielbelastung von Alterseinkünften muss nach der Rechtsprechung des BFH vom Steuerpflichtigen belegt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, s. , BFH/NV S. 1791 und vom , X R 20/19). Eine Überprüfung von Amts wegen durch die Finanzämter ohne Mitwirkung der betroffenen Steuerpflichtigen ist nicht möglich. Daher ist in Steuerbescheiden, die den Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 3 enthalten, zusätzlich folgender Hinweis aufzunehmen:

„ Wichtiger Hinweis:
Sollte nach einer künftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuerbescheid nicht ändern, weil mir nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen. “

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 3 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2009 beizufügen, zu denen ein Verlust aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Satz 1 EStG, der aus der Veräußerung von Aktien entstanden ist, nach § 20 Absatz 6 Satz 3 i. V. m. § 10d Absatz 4 EStG festgestellt wird, weil ein Ausgleich mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Absatz 6 Satz 4 EStG (§ 20 Absatz 6 Satz 5 EStG a.F.) nicht möglich ist.

II.

Ferner sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Festsetzungen des Solidaritätszuschlags für die Veranlagungszeiträume ab 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO vorzunehmen.

Für die Veranlagungszeiträume ab 2020 erfasst dieser Vorläufigkeitsvermerk auch die Frage, ob die fortgeltende Erhebung eines Solidaritätszuschlages nach Auslaufen des Solidarpakts II zum verfassungsgemäß ist.

Abschnitt B (Aussetzung der Steuerfestsetzung)

(aufgehoben)“

BMF v. - IV A 3 - S 0338/19/10006 :001

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:





Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 2022 I Seite 203
DStR 2022 S. 658 Nr. 13
EStB 2022 S. 176 Nr. 5
FAAAI-58483

BMF v. 28.03.2022 - IV A 3 - S 0338/19/10006 :001 (2024)

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